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Die Röntgenstrahlen haben es an den Tag gebracht: Eine verdächtige Flüssigkeit ist in die Torte injiziert worden.
Vergiftete Sahnetorte
Der Hightech-Computertomograf des Landeskriminalamtes ermöglicht Experten und Ermittlern völlig neue Einblicke
Streife-Redaktion

Eine Schokoladensahnetorte als Überraschung vor der Haustür löst nicht immer Freude aus. Vor allem wenn jemand anonym bedroht wird und die Polizei schon eingeschaltet ist. Das von Konditorhand gefertigte Tortenstück landete folglich nicht auf einer Kaffeetafel, sondern im Computertomografen beim Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institut des Landeskriminalamtes in Düsseldorf.

Ein solches Naschwerk als Untersuchungsobjekt war auch für Mathias Teroerde vom Teildezernat 51.1 (Brand/Elektrotechnik) neu. Der gelernte Elektromeister bedient den Hightech-Computertomografen, der 2019 angeschafft wurde. Normalerweise durchleuchtet er mit den beiden Röntgenröhren vor allem Proben aus dem Bereich Brand und Elektrotechnik, aber auch zum Beispiel Waffen. „Diesmal also ein Kuchen“, sagte er sich. So schnell bringt den 36-Jährigen nichts aus dem Konzept. „Die grundsätzliche Herangehensweise ändert sich ja nicht.“ Ruhig und konzentriert wie gewohnt ging er an die Arbeit, positionierte die Torte auf dem Probenträger und startete den Scanvorgang.

Beim 3D-CT-Scan durchdringt der volle kegelförmige Röntgenstrahl den sich drehenden Gegenstand und trifft auf einen Detektor. Mehrere Hundert zweidimensionale Projektionen werden detektiert und dabei elektronische Signale aufgezeichnet, ohne den Untersuchungsgegenstand zu beschädigen. Der Computer fertigt daraus anschließend ein dreidimensionales Bild.

Der Rechner benötigt für eine solche 3D-Rekonstruktion immens viel Speicherkapazität – zwischen 15 und 45 Gigabyte. Doch dafür sind solche Modelle besonders anschaulich und aussagekräftig. So auch in diesem Fall.

Teroerde deutet auf die Mitte der in Grautönen gehaltenen 3D-Darstellung. Dort befindet sich eine kreisrunde Stelle, fast verborgen von einem Schokoplättchen. „Das ist das Einstichloch“, stellt Teroerde fest. Dann zeigt er auf einen 2D-Schnitt. „Die sonst lockere Struktur der Süßspeise erscheint hier am Rand auf einmal weißlich und verdichtet. Ein deutlicher Hinweis auf einen eingespritzten Stoff.“

Die CT-Aufnahmen halfen den Toxikologen bei der weiteren Bearbeitung des Falls. Dort wurde bei analytischen Untersuchungen festgestellt, dass dem Backwerk ein starkes Beruhigungsmittel zugeführt worden war.

Während Teroerdes Präsentation kommt ein LKA-Kollege herein. Waffenspezialist Felix Baum ist gelernter Maschinenbauingenieur und nimmt gern die Dienste des CT in Anspruch. Er hat dem Techniker eine Pistole zur Untersuchung ausgehändigt, die früher scharf war und eventuell einmal unbrauchbar gemacht wurde.

Sichergestellt hat man sie bei einem „alten Kunden“. Baum hat die Waffe untersucht und sie für schussfähig befunden. Aufgrund von Auffälligkeiten an sichtbaren Oberflächen, zum Beispiel in Form von leichten Wölkchen, soll hier zerstörungsfrei die Struktur des Materials geprüft und im Bild festgehalten werden, bevor es zum Funktionsbeschuss geht. „Solche Auffälligkeiten kommen hier öfter vor“, erklärt er.

Und richtig. Der Computertomograf hat den Nachweis erbracht. Unter anderem ist ein neuer Lauf eingeschweißt worden, sehr gut und fast unsichtbar. „Röntgenaugen sehen mehr“, bemerkt Felix Baum zufrieden und verabschiedet sich. Die Ergebnisse fließen ins Gutachten, sodass an der Art und Weise des Umbaus nicht zu rütteln ist.

Der CT wird von den Brandexperten betrieben und hat sich bei der Aufklärung von Brandursachen bewährt. Zum Beispiel hatte vor einiger Zeit ein Lokal gebrannt. Ein Streit war vorausgegangen. Lag etwa Brandstiftung vor? „Ich habe in dem Zusammenhang einen interessanten schwarzen Klumpen im CT unter die Lupe genommen“, berichtet Mathias Teroerde. „Das war ursprünglich mal eine Fritteuse.“ Natürlich hätte auch ein defektes Gerät den Brand verursacht haben können. Der CT konnte auch in diesem Fall helfen, die Überreste der Fritteuse wurden mit einem 3D-Scan zum Sprechen gebracht. „Schicht für Schicht haben wir uns vorgenommen, um den Schaltzustand beurteilen zu können.“ Auf diese Weise konnte nachgewiesen werden, dass die Fritteuse offensichtlich eingeschaltet war und einen Defekt an einem Regler hatte. Damit kam die defekte Fritteuse als Brandursache in Betracht.

Auch bei Mordfällen greifen die Ermittler auf die Expertise von Teroerde zurück. Ein vergrabenes Knochenstück verrät selbst nach vielen Jahren oder Jahrzehnten noch Geheimnisse. Zum Beispiel können daran festgestellte Sägespuren besonders deutlich und anschaulich visualisiert werden.

Die Beispiele zeigen das breite Spektrum der Einsatzmöglichkeiten des CT-Geräts. Teroerde: „Hier dürften sich aber auch bisher noch unbekannte Anwendungsfelder ergeben.“ Als Ansprechpartner für konkrete Untersuchungsmöglichkeiten steht das Teildezernat 51.1 im LKA zur Verfügung.

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